Hochspannung bis zur letzten Minute
Zunächst verlief alles normal und nach Plan. Der milde Frühling und die gute Wasserversorgung der Reben boten ideale Wachstumsbedingungen. Der Austrieb folgte Mitte bis Ende April und Spätfröste bleiben aus. Ein vielversprechender Start des Jahrgangs 2023. Während der Blütezeit in der ersten Hälfte des Monats Juni herrschten warme und trockene Wetterbedingungen, die sich vorteilhaft auf das Wachstum und die Entwicklung der Trauben auswirkten. Trotz der anhaltenden Trockenphase bis in den Juli hinein wiesen die Reben keinerlei Anzeichen von Stress auf, da sie über eine ausreichende Wasserversorgung verfügten. Die Beeren gediehen prächtig.
Dann änderte sich das Wetter drastisch. Auf eine extreme Hitzephase folgten ausgiebige, anhaltende Regenfälle. Die Folge: Bereits Anfang September gab es Abquetschungen bei den Trauben. Vor allem die Burgundersorten waren hiervon betroffen. Nur durch strenge Selektion und eine schnelle Ernte konnten wir im September die wenigen Trauben ernten, die unsere Qualitätsansprüchen genügten. Die Erträge bei Elbling, Weißburgunder & Co. sind dadurch natürlich äußerst niedrig. Für Rotweinfreunde hingegen ist 2023 ein trauriger Jahrgang. Aufgrund der unzureichenden Ausreifung der Trauben durch den nasskalten Hochsommer mussten wir bedauerlicherweise auf die Produktion von Rotwein komplett verzichten.
Ganz anders sieht das Bild beim Riesling aus. Auch hier war bei der Lese Tempo gefragt, aber aus anderen Gründen: Der warme, trockene Oktober ließ die Beeren in Rekordzeit reifen. Täglich stieg das Mostgewicht deutlich. Hier mussten wir in einzelnen Lagen zügig ernten, um die verschiedenen Reifepunkte und Qualitäten abzupassen.
Als die Weinlese am 18. Oktober endete, hätte die Bilanz nicht positiver ausfallen können: optimal gereifte Beeren in allen Qualitäts- und Geschmacksstufen - vom trockenen Gutsriesling bis zu edelsüßen Beeren- und Trockenbeerenauslesen, die mit ihren außergewöhnlich hohen Mostgewichten und ihren Spitzenwerten bei Extraktgehalt und Säure Erinnerungen an 1959 weckt - der Edelpilz Botrytis war in Hochform.
Im Vergleich zu den drei Vorgängerjahren wirkt der 2023er etwas reifer und gehaltvoller, aber auch heterogener. Die Unterschiede zwischen den Lagen - das Alter der Reben spielt hierbei auch eine Rolle - sind diesmal noch markanter. Auch das macht den 2023er zu einem vielschichtigen, hochspannenden Jahrgang.